Wie Sie als Geschäftsführer mit Unsicherheiten und Ängsten in der Belegschaft umgehen

Liebes Repanet Mitglied, 

aktuell stehen in vielen Betrieben vor allem wirtschaftliche Herausforderungen im Fokus. Diese müssen Sie als Unternehmer bewältigen und zudem auch durch die Corona-Einschränkungen viele Bereiche Ihres privaten Alltags neu organisieren. Gleichzeitig sind Sie für Ihre Mitarbeiter wichtiger denn je. Die sorgen sich um ihren Arbeitsplatz, müssen unter Umständen finanzielle Einbußen hinnehmen und beispielsweise familiäre Abläufe umgestalten. Welche Führungsqualitäten jetzt von Ihnen gefragt sind, haben wir im Interview mit dem Leibniz-Institut für Arbeitsforschung erfragt. 

Bleiben Sie zuversichtlich. 

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Repanet Service-Center 
 


“Der Chef muss als Mensch erkennbar sein”
 
Unsicherheit und Ängste in der Belegschaft – wie können Sie damit als Geschäftsführer umgehen? Dr. Hannah Schade, Arbeitspsychologin beim Leibniz-Institut für Arbeitsforschung in Dortmund, sieht hier vor allem zwei Eigenschaften im Vordergrund: “Gerade in Krisen ist Transparenz und Authentizität absolut wichtig.” Im Interview finden Sie zahlreiche praktische Tipps für das Miteinander in Ihrem Unternehmensalltag.

Dr. Hannah Schade, Arbeitspsychologin

Frau Dr. Schade, derzeit haben viele Geschäftsführer große wirtschaftliche Sorgen. Dazu kommen unter Umständen Herausforderungen im privaten Umfeld durch die Corona-Einschränkungen Gleichzeitig haben sie Verantwortung für die Belegschaft. Wie gelingt der Spagat zwischen den eigenen Ängsten und dem Anspruch, für die Mitarbeiter „Leuchtturm“ zu sein? 

Dr. Hannah Schade: Gerade in Krisenzeiten ist Authentizität absolut wichtig. Corona betrifft uns alle, und die Mitarbeiter würden es befremdlich finden, wenn eine Führungskraft von den Umständen vollkommen kalt gelassen würde. Der Chef muss als Mensch erkennbar sein, der durchaus seine eigenen Sorgen artikuliert, gleichzeitig aber signalisiert: ich bin trotz meiner eigenen Unsicherheit für euch da. Das ist der zweite wichtige Punkt: sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern offen über die Situation im Betrieb.
  
Ist den Mitarbeitern damit wirklich geholfen, oder machen sie sich dadurch nicht noch mehr Gedanken? 

In der Krise brauchen wir noch viel stärker als im Alltag transparente Kommunikation. Nur so können Sie Ihrer Belegschaft das Gefühl geben, mitgenommen zu werden. Psychologisch gesehen ist es das schlimmste, wenn der Mensch nicht weiß, was auf ihn zukommt. Wenn er das Gefühl hat, ein Bild von der Lage zu haben, kann wieder gestalterischer Wille einsetzen.  

Können Sie ein Beispiel nennen? 

Dr. Hannah Schade: Nun, wenn Mitarbeiter darüber informiert sind, durch welche Sachzwänge in ihrem Betrieb welche Maßnahmen durchgeführt werden, etwa Kurz- oder Schichtarbeit, dann ist die Bereitschaft zur Kooperation höher. Gleichfalls steigt die Solidarität untereinander, wenn man besser über die Situation der anderen informiert ist. Wenn ich etwa weiß, dass ein Kollege kleine Kinder zuhause zu betreuen hat, dann bin ich eher bereit, zum Beispiel meine Schicht mit ihm zu tauschen oder ähnliches. 

Viele Lackierbetriebe setzen auf Schichtarbeit, was zur Folge hat, dass sich die beiden Hälften der Belegschaft über lange Zeit nicht sehen. Empfehlen Sie teambildende Maßnahmen? 

Dr. Hannah Schade: Nur bedingt. Viele laufen derzeit am Anschlag. Wenn Sie in deren Freizeit noch einen Termin packen, nennen wir es “virtuelles Feierabendbier”, dann üben Sie in der aktuellen Situation zusätzlichen Druck aus. Planen Sie lieber eine Art “Jour Fixe” ein: schalten Sie etwa beim Zwei-Schicht-Betrieb einmal in der Woche die andere Schicht für eine halbe Stunde per Video zu, falls technisch möglich. Dies wird als Arbeitszeit angerechnet und Sie haben die Möglichkeit, aktuelle Themen und Änderungen mit allen zu besprechen und auch die Stimmung in der Belegschaft wahrzunehmen.  Nichts dient der Teambildung mehr als ein gemeinsames Projekt, zu dem alle gestalterisch und eigenverantwortlich beitragen. Das Meistern dieser Krise kann an sich schon als teambildende Maßnahme verstanden werden, wenn man strukturell und kommunikativ dafür sorgt, dass alle in einem Boot sind.

Macht es Sinn, darüber hinaus die Mitarbeiter auch einzeln anzusprechen?

Dr. Hannah Schade: Machen Sie Gesprächsangebote. Weisen Sie darauf hin, dass Sie jederzeit ansprechbar sind und sich bemühen, bei individuellen Herausforderungen mit dem Mitarbeiter Lösungen zu finden.

Drei praktische Empfehlungen, die Sie K+L-Geschäftsführern aktuell geben würden?

Dr. Hannah Schade: Weisen Sie Ihre Mitarbeiter auf Online-Fortbildungsmöglichkeiten hin. Betonen Sie hier die Freiwilligkeit: wie schon gesagt stehen derzeit viele Menschen so unter Druck, dass sie keinen Raum für Neues haben. Machen Sie der Belegschaft immer wieder klar, dass ihre Gesundheit Ihnen am Herzen liegt. Auch, indem Sie auf Online-Gesundheitskurse von Krankenkassen aufmerksam machen. Sich jetzt (genauso wie sonst auch) aktiv um physische und psychische Gesundheit zu kümmern reduziert nachweislich Stress, und damit auch den Krankenstand. Stress und Arbeitsgesundheit sind Schwerpunkte unseres Instituts, und ich kann Ihnen sagen: Prävention zahlt sich aus. Und mit Blick auf finanzielle Ausfälle: gestatten Sie Mitarbeiten in Kurzarbeit Nebenbeschäftigungen in systemrelevanten Bereichen, etwa in Supermärkten. Diese sind gesetzlich erlaubt und könnten Geldnöte zumindest ein wenig lindern. Bieten Sie hier Unterstützung an, etwa dadurch, dass Sie Empfehlungsschreiben verfassen.